top of page
AutorenbildCora

Trouble in Paradise

Die nur 30 km lange Strecke von Playa Junquilall nach Nosara dauert mehr als eine Stunde und verlangt uns einiges an Geduld ab. Seit wir, kurz nach Tamarindo, die Hauptstrasse, die Inland bis zur Stadt Nicoya führt, verlassen haben, sind die Strassenverhältnisse wieder sehr schlecht. Diese Strasse führt aber an allen wunderschönen Stränden vorbei. Würden wir den Weg über die Hauptstrasse nehmen, würden wir ein grosses Stück zurückfahren müssen, was schlussendlich gleich lange dauern würde. In der Regenzeit wäre dies die einzige Option. Da wir uns aber gerade im letzten Monat der Trockenzeit befinden, sind die Flüsse, durch die die Strasse führt, nur noch kleine Bäche oder sogar ganz ausgetrocknet. Zum Glück haben wir alle Zeit der Welt und tuckern zum Teil im Schritttempo über den ausgewaschenen Schotterweg. Bei diesen Geschwindigkeiten kann man sich dafür auf die immer tropischere und waldigere Natur fokussieren, die an beiden Seiten der Strasse dreissig Meter in die Höhe ragt.


In Nosara angekommen, müssen wir noch kurz frisches Gemüse und Früchte einkaufen und beim einzigen Geldautomaten der Umgebung abheben. Das Städtchen liegt nur fünf Minuten von Playa Guillones entfernt. Diese Bucht haben uns Surfer in Junquillal empfohlen, da hier die Wellen ein bisschen langsamer sind und sich die Horden auf dem mehrere Kilometer langen Beachbreak verteilen. Nach einem kurzen Mittagessen gehen wir gleich ins Wasser. Coras Muskeln fühlen sich nach einem Pausentag wieder frisch an und sie kann die Energie perfekt nutzen. Die Wellen scheinen wie für sie gemacht und sie erlebt ihre bisher grössten Erfolge auf einem Surfbrett. Auf den ein wenig flacheren, aber dennoch grossen und kraftvollen Wasserbergen hat sie genau ausreichend Zeit, um sich aufzustossen, das Brett in die gewünschte Richtung zu steuern und auf dem ungebrochenen Grünwasser hinunterzufahren. Sie ist begeistert und wir gehen erst wieder an Land, als wir alle Kraft aus unseren Schultern gesaugt haben. Auf dem Erkundungsspaziergang durch das Dörfchen entdecken wir, dass es ein paar kleine Wanderwege durch den angrenzenden Dschungel gibt, die wir am nächsten Morgen, vor Eintritt der lähmenden Hitze, erkundigen möchten. Wie in Costa Rica üblich, muss man auch hier nicht weit gehen, um in Kontakt mit der Natur zu kommen. So lässt sich eine ganze Affenfamilie direkt aus dem Dorfzentrum beobachten. Die über die Strassen verlaufenden Stromleitungen dienen den Tieren als Hängebrücken, die sie ungestört über den Köpfen der sie fotografierenden Tourist*innen passieren können. Im Allgemeinen nehmen wir das Örtchen als sehr geschniegelt wahr. Die Strasse wird von Luxus-Bungalows oder edlen Surf- und Yoga-Retreats gesäumt. Viele Besucher*innen sind auf gemieteten Quads unterwegs und sehen überdurchschnittlich gut gestylt aus. Wir fühlen uns auf unserem Parkplatz direkt am Strand wohler, obwohl er etwas abseits liegt und wir die einzigen sind, die hier die Nacht verbringen.



Als wir uns in den Morgenstunden gerade für unsere kleine Wanderung bereit machen, stellen wir fest, dass uns eine böse Überraschung erwartet. Phillips Surfklamotten, darunter auch sein nur vor ein paar Tagen gekauftes Leykra, die er zum Trocknen auf Gordas Dachträger aufgehängt hat, sind nicht mehr da. Sie liegen auch nicht neben dem Auto auf dem Boden. Jemand muss sich in der Dunkelheit an unser Lager gewagt und die von aussen greifbaren Sachen entwendet haben. Nach einem kurzen Assessment der Situation wird klar, dass die Diebe auch unsere Schubladen unter dem Bett und die Tasche hinter dem Beifahrersitz durchforscht haben. Der wertvollste Gegenstand, den sie gefunden haben, ist Coras Taucherbrille, die genau auf ihre Korrektur zugeschliffen ist. So haben wir unglücklicherweise mit den berüchtigten Langfingern hierzulande Bekanntschaft gemacht. Es bestehen auch keine Zweifel, dass es nicht noch ein Mal die frechen Waschbären gewesen sind. Uns wird klar, dass wir sehr viel Glück im Unglück gehabt haben. An den Orten, an die die Diebe herangekommen sind, haben wir in anderen Nächten unsere Handys, Tablets und auch den Geldbeutel verstaut. Zufälligerweise ist dies heute nicht der Fall und alle essentiellen Sachen sind noch in unserem Besitz. Insgesamt fehlen Gegenstände im Wert von einigen hundert Franken, darunter jedoch nichts Überlebensnotwendiges. Wie die ganze Situation hätte ausgehen können, wenn wir während des Raubes aufgewacht wären und die unerwünschten Gäste konfrontiert hätten, wollen wir uns auch nicht vorstellen. Unter anderem ist uns nämlich auch die Machete entwendet worden, mit der Philip immer unsere Kokosnüsse knackt. Dementsprechend wären die Personen bewaffnet gewesen, was böse hätte ausgehen können. Das Fazit lautet also: Wertgegenstände besser verstauen und nicht in der einsamsten, dunkelsten Ecke eines Dorfes übernachten.



Trotz der ein wenig gedämpften Stimmung auf Grund unserer ersten Begegnung mit Kriminalität machen wir uns noch auf zur Wanderung. Spätestens nach der anschliessenden Surfsession kommen wir wieder einigermassen zu uns. Wir beschliessen, noch eine Nacht hier zu bleiben, in der Hoffnung, dass man vielleicht ein paar der gestohlenen Güter wieder zurückkaufen kann. Einige Locals erklären uns, dass manchmal in der nächstgelegenen Bucht gestohlene Dinge am Strand verkauft werden. Wir versuchen unser Glück, finden aber keine Strassenhändler*innen oder Ähnliches. Auch bei der lokalen Polizei gehen wir vorbei. Diese kann uns nicht helfen, hält uns jedoch einen langen Vortrag darüber, dass unser Lifestyle nicht sicher sei und wir ein wenig spinnen würden, so durch die Welt zu reisen. Diese Begegnung hätten wir uns sparen können. Der lokale Parkplatzwärter, der, wie die Leute in Tamarindo, Eintritt für den eigentlich kostenfreien Stellplatz verlangt, kann uns ein bisschen mehr berichten. Er erzählt uns von einer Nosara Facebook-Gruppe, in der wir dann, in der Hoffnung, dass sich jemand bei uns meldet, einen Beitrag posten. Dies und die Bemühung, uns bei allen zwielichtigen Personen des Dorfes zu erkundigen, ob sie vielleicht etwas gehört hätten, bleiben jedoch erfolglos. Der Wächter meint ausserdem, dass die Diebe gelegentlich ihre neu erlangten Güter im daneben gelegenen Wald aussortieren und das Unerwünschte dort auf dem Boden liegen lassen. Nach einigem Suchen finden wir tatsächlich eine Spur. Dabei handelt es sich um Coras Unterwäsche, die in der Tasche mit der dreckigen Wäsche gewesen ist, die uns entwendet wurde. Zu gebrauchen sind die Kleidungsstücke allerdings nicht mehr. Irgendwelche Tiere müssen sich in der Nacht an die Unterhosen gemacht haben, sie sind nämlich komplett durchlöchert. Wir werfen sie weg, entscheiden uns aber, noch einmal hier zu schlafen, falls noch mehr Sachen auftauchen.



Die zweite Nacht in Playa Guillones verbringen wir im Herzen des Dorfes, wo wir gut beleuchtet sind und bis spät abends buntes Treiben um uns herrscht. Leider werden wir auch am nächsten Tag nicht fündig und geben die Suche auf. Also machen wir uns auf den Weg nach Samara. Die Küstenstrasse ist in ähnlichem Zustand wie der bisherige Weg und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Auf den letzten Kilometern fängt Gordas Schaltung an, ein wenig zu spinnen. Zuerst fällt es kaum auf, doch die Symptome werden immer heftiger, sodass wir am Ende kaum noch schalten können. In Samara angekommen, stranden wir mitten auf der Strasse und schaffen es gerade noch, Gorda so weit an den Rand zu stellen, dass sich andere Autos an ihrer Seite vorbeiquetschen können. Ein Blick unter das Auto enthüllt, dass wir Schaltungsöl verlieren, und zwar ziemlich viel. Wo die Quelle des Lecks ist, können wir aber nicht feststellen. In Samara gibt es nur einen Motorradmechaniker, der uns lediglich damit weiterhelfen kann, dass er uns den Kontakt eines Mechanikers aus dem nächsten Ort gibt, der vielleicht vorbeikommen könne. Es ist mittlerweile Samstagnachmittag und alle befinden sich im Wochenende. So muss Gorda leider bis Montag auf ihre Diagnose warten. Wir schaffen es, sie noch ein Mal an zu bekommen und sie aufs nächste Camping zu zwingen. Mittlerweile haben wir all unser Schaltungsöl verloren. Am Abend gehen wir eine leckere Pizza essen, um unsere Laune, die wegen der momentanen Pechsträhne ziemlich im Keller ist, aufzuhellen.


Der Sonntag ist bewölkt und regnerisch, was unsere Stimmung ein wenig widerspiegelt. Den ganzen Nachmittag sitzen wir hinter einer von Tropfen bedeckten Windschutzscheibe, schauen auf den grauen Pazifik, reflektieren über die vergangenen Monate und lassen einen Haufen Erinnerungen wieder aufkommen. Wir sind uns einig, dass diese Reise die krasseste, aufregendste und intensivste Zeit unseres Lebens ist. Würde das ganze Projekt heute zu Ende gehen, wären wir komplett glücklich mit dem Outcome. In anderen Worten: Falls Gorda noch eine grosse Reparatur benötigt, würden sich unsere Wege trennen, da sich solch ein Unterfangen für die letzten Wochen nicht mehr lohnt. Der Fakt, dass wir so zufrieden mit der ganzen Reise sind, ist unglaublich schön und alles, was wir uns vor einem Jahr, bei Antritt des ganzen Abenteuers, hätten wünschen können.


Wir sind mit dem Mechaniker in Kontakt und er kommt am Montagnachmittag mit vier Litern Schaltungsöl vorbei. Als der Tank wieder komplett aufgefüllt ist, machen wir uns auf die Suche nach dem Leck. Schnell stellen wir fest, dass sich ein kleines Schläuchchen durch das ständige Holpern der ausgewaschenen Strassen gelöst hat. Der Mechaniker macht in wenigen Minuten einen neuen Verschluss an die Verbindung und das Problem scheint gelöst zu sein. Die Freude und Erleichterung sind immens. Da haben wir uns wohl um sonst mögliche Katastrophenszenarien durch den Kopf gehen lassen. Morgen wollen wir Gorda auf jeden Fall wieder auf die Probe stellen. Die nächste Etappe soll nämlich wieder eine etwas längere werden. Das Ziel ist das Surfstädtchen Santa Teresa, das eigentlich nicht allzu weit entfernt liegt. Der dorthin führende Abschnitt der Küstenstrasse wird aber anscheinend durch grosse Flüsse unterbrochen und ist mit Gorda nicht befahrbar. Dies zwingt uns zu einer dreistündigen Umfahrt. Immerhin soll die Strasse gemäss Angaben lokaler Personen perfekt asphaltiert sein. Mit neu gefasstem Mut und Optimismus freuen wir uns auf die kommende Zeit. Auch wenn wir damit klargekommen wären, Gorda hier in Samara verabschieden zu müssen, sind wir überglücklich, die Trennung noch um ein paar Wochen aufzuschieben.



24 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Endstation erreicht

Comments


Beitrag: Blog2 Post
bottom of page